„2016 kam nur Wasser – 2021 kam bewegte Erde“
Jeder Haushalt im Flutgebiet hat seine ganz eigene, berührende Geschichte, die erzählt werden will. Eine davon ist die Geschichte von Heike, Roland und Jakob aus Altenburg. Außerdem stellen wir Dir heute unseren Helfer Achim und unser Teammitglied Lisa vor und berichten von den ersten Ergebnissen unserer Projektwoche. Gespannt? Dann schnapp Dir einen Kaffee oder Tee und mach es Dir gemütlich, wir haben viel zu erzählen!

Vom

Mit den eigenen Händen erbaut

„Wir sind nur ein Beispiel von vielen – kein Einzelfall und nichts Besonderes. So und noch schlimmer erging es vielen in unserem Dorf.“

Heikes Bescheidenheit erzeugt Gänsehaut.
Diese Worte hören wir oft von Betroffenen und doch empfinden wir es anders, denn jedes von der Flut betroffene Schicksal ist etwas Besonderes. Jedes Schicksal verursacht Gänsehaut – egal ob direkt nachdem die Wassermassen kamen oder auch jetzt noch, mehr als 1 Jahr später. Die Geschichten dazu sollten gehört werden, dürfen nicht in Vergessenheit geraten. 

Wir sind mal wieder in Altenburg. Nicht verwunderlich irgendwie, haben wir doch hier den größten Teil unserer Baustellen bearbeitet. Auch das ist nicht verwunderlich – dieser Ort wurde in der Flutnacht zu 95% zerstört und gleicht noch heute eher einem Geisterdorf. Es gab und gibt hier viel zu tun!

Die Geschichte von Heike und Roland beginnt 1996, als sie das schöne Grundstück erben und beginnen, ihr Haus darauf zu errichten. Sie bauen fast alles daran selbst, mit ihren eigenen Händen.

„Alles, was an und in unserem Haus war, haben wir selber in unseren Händen gehalten.“

Sie fühlen sich wohl und sicher hier, kleinere Überschwemmungen und selbst das ‚Jahrhundert – Hochwasser‘ von 2016 betreffen sie nicht, da ihr Gebäude etwas erhöht steht. Damals helfen sie den Nachbarn, bleiben selbst aber immer verschont. Naja, die Keller laufen schon mal voll, aber das ist man hier im Ort gewohnt und mittlerweile geübt darin, Hab und Gut in Sicherheit zu bringen.

Und genau das tun Heike, Roland und Sohn Jakob, als sie beginnen, sich wegen des starken Regens am 14. Juli Sorgen zu machen. Dass es diesmal mehr werden wird als im Jahr 2016, ist ihnen da schon klar, aber niemals hätten sie eine derartige Katastrophe für möglich gehalten.
„Hätte man es uns gesagt – wir hätten es nicht geglaubt.“

Sie beginnen, den Keller auszuräumen, denn sie vermuten schon, dass dieser wohl diesmal voll läuft. Sie räumen die wichtigsten Dinge ins Erdgeschoss, denn sie gehen davon aus, dass sie da sicher sind.

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Der Mieter der Einliegerwohnung, die im Souterrain liegt, ist an diesem Tag nicht zuhause und so versuchen sie noch, dort die wertvolle Technik zu retten. Leider kommt es dazu nicht mehr, denn plötzlich steigt das Wasser so schnell, dass sie nicht mehr in seine Wohnung kommen. Rasend schnell füllt sich das Untergeschoss – wie eine Badewanne läuft alles voll.

Die Schnelligkeit des Wassers wird dem 23-jährigen Jakob beinahe zum Verhängnis, denn er will „nochmal fix in den Keller gehen, um Werkzeug zu holen, falls wir das nachher brauchen“ … Plötzlich hören Heike und Roland einen lauten Knall, als wäre eine Bombe explodiert! Sie stürzen nach unten, voller Angst und Panik um ihr Kind.
Was war passiert? Die Wand zwischen der Einliegerwohnung und dem Keller hat den Wassermassen nicht standgehalten und ist eingebrochen. In Sekundenbruchteilen wurde alles geflutet und der Keller, in dem Jakob sich befand, lief bis unter die Decke voll mit Wasser, Möbeln und allem, was sich in den Räumen befand. Heike und Roland stehen Ängste aus, die nur Eltern begreifen können, sie fürchten das Schlimmste. Doch da kommt von der anderen Seite des Hauses der erlösende Ruf Jakobs – er konnte sich durch ein Kellerfenster, vor dem Rolands Motorrad stand, patschnass aber ansonsten unversehrt aus dem Keller heraus ziehen. Später sagt er: “ Ich hatte zu keinem Zeitpunkt Todesangst, dafür war keine Zeit.“

Dieses Erlebnis prägt sich ein. Im Gespräch spürt man, wie nahe es ihnen geht, auch heute noch, 1 Jahr später. Die Stimme stockt, es folgt eine kurze Erzählpause. Und wieder viel Gänsehaut …

schutt-ueberflutetes-haus

Mittlerweile läuft das Wasser aber auch ins Erdgeschoss. Nicht ahnend, dass es umsonst sein wird, räumt die Familie wieder alles Wichtige eine Etage höher, ins Obergeschoss. Sie sind glücklich darüber, dass sie zusammen sind, selbst die Freigängerkatze heute zuhause ist und es auch dem ‚Ferienhund‘, den sie gerade in Pflege haben, gut geht.

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Es ist dunkel geworden und das Wasser steigt unaufhörlich. Sie verlieren Stufe um Stufe des Treppenhauses, retten noch schnell Jakobs wichtige Technik und Arbeitstasche und sitzen schließlich mit den beiden Tieren zusammen unter der Dachluke. Von hier aus beobachten sie das Wasser, sehen Wohnwagen, Bäume, Hausrat und Heizöl vorbei schwimmen. Sie hören die Rufe aus der Nachbarschaft und können nichts tun als Warten und Hoffen, dass das Wasser aufhört zu steigen und sie nicht ertrinken müssen. Irgendwann, gegen 23 Uhr, wird es still draußen. Unwirklich, gespenstisch. Der Strom ist überall schon lange ausgefallen, es gibt kein Licht, das Mobilfunknetz ist zusammengebrochen. Die Rufe sind verstummt.

Dieses Foto zeigt noch nicht den Höchststand, das Wasser stieg noch etwas weiter, bis kurz unter die Dachfenster. (Bild oben, linkes Haus)

Die helle Verfärbung des Daches am nächsten Morgen (Bild oben) zeigt deutlich die Wasserlinie – 1,20m stand es im Obergeschoß hoch, wie man heute auch gut an der Pegelmarke erkennen kann, die sie von einem freiwilligen Helfer geschenkt bekamen:

Als das Wasser fällt, schnappen sie sich Gegenstände, mit denen sie sich einen Weg durch den Schlamm und Haurat bahnen können, um über die Treppe das Haus zu verlassen. Sie laufen über den Berg in Heikes Heimatdorf, wo sie Unterschlupf in einem Ferienhaus finden. Dort wohnen sie bis heute, denn ihr Haus ist noch lange nicht bewohnbar.

In den folgenden 2 Tagen beginnen Roland und Jakob gemeinsam mit Freunden mit den Aufräumarbeiten des Hauses. Heike ist durch eine Verletzung und auch mental durch die Flutnacht zuerst nicht in der Lage, das Haus zu betreten.

Das Erlebte sitzt zu tief, gerade der Schreckmoment um Jakob kommt immer wieder. Nach ca. 2 Wochen wagt sie es schließlich doch und trifft auf Thilo, der sie anspricht, als sie resigniert und verzweifelt auf der Treppe ihres Hauses sitzt.

Er verspricht sofort Hilfe und die kommt – unsere Truppe der DZN Hilfsorganisation rückt an. „Schnell, professionell und fleißig wie ein Ameisenvolk“ entkernen wir das Haus, bis ins Obergeschoss. Bei einem späteren Einsatz noch bis unters Dach und auch einen Teil der Fassade bauen wir zurück.

Heike und Roland sind unglaublich glücklich darüber, nicht alleine gelassen worden zu sein. „Ich kann nicht in Worte fassen, wie dankbar wir für die Hilfe sind, die wir erfahren durften.“ Heike sagt auch: “ Ich habe das Gefühl, dass die DZN Hilfsorganisation an unserer Seite ist. Das gibt uns Hoffnung.“

Aber nicht nur von uns bekommen sie Unterstützung, auch andere freiwillige Helfer:innen sind bis heute für sie da. Ihr Haus wird wieder aufgebaut – Stück für Stück, auch diesmal wieder mit ihren eigenen Händen. Wie lange das dauert, wissen sie noch nicht, es gibt noch viel zu besorgen und zu klären. Es braucht Zeit.

Was sie die Flut gelehrt hat: „Jeden Tag das Beste aus dem machen, was einem das Leben vor die Füße wirft. Und sich an dem erfreuen, was man hat!“ Treffender hätte man es nicht formulieren können.

Wir danken Heike und Roland für das intensive und emotionale Gespräch, ihre Offenheit und die Bilder.

Wir wünschen der Familie, dass sie das Erlebte bestmöglich verarbeiten können und sich ein neues Heim schaffen, in dem sie sich trotz allem sicher und wohl fühlen. Und natürlich sind wir immer an ihrer Seite! 
❤️

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Doch eine winzig kleine Ankündigung haben wir auch noch zu Heike und Roland! Sie haben einen Wunsch bei uns eingereicht und nehmen an der ‚WÜNSCH DIR WAS‘-Aktion teil!

Was ihr Wunsch war, könnt ihr morgen auf Youtube sehen. Ihr Video geht dort am Montag online (alle Details findet ihr in unseren Storys auf Instagram und Facebook). Deshalb schaut in die Storys und verpasst auf keinen Fall den Link. Ihr könnt natürlich auch unseren Kanal abonnieren und damit kein Video mehr verpassen!

Seit nunmehr 1 Jahr sind wir vor Ort. Es ist unglaublich, was wir bereits gemeinsam alles schaffen konnten!

Und noch immer brauchen die Betroffenen hier unsere und vor allem DEINE Hilfe.
Deshalb unsere Bitte: komm auch jetzt noch zu uns ins Camp und unterstütze uns bei der Hilfe! Wir brauchen jede helfende Hand und jede gute Idee, um den Menschen im Ahrtal wieder ein lebenswertes Leben zu ermöglichen. 

Wir wünschen Dir nun einen schönen Sonntag und senden liebe Grüße ❤️ vom DZNH-Team!

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